Seit ein paar Jahren spiele ich wieder regelmäßig Tennis. Das macht mir zum einen wahnsinnig viel Spaß, weil ich den Sport seit meiner Kindheit liebe! Zum anderen hat es den schönen Nebeneffekt, dass sich ein Hobby wie Tennis ausgezeichnet zur Selbstanalyse eignet 😉
Denn alles, was man im normalen Leben glaubt, im Griff zu haben, sucht sich auf dem Platz einen Weg an die Oberfläche – und das, meine Lieben, ist nicht immer ein schöner Anblick.
Seit letztem Sommer spiele ich wieder in einer Mannschaft, und in meinem ersten Freundschaftsspiel (!) habe ich mich direkt so über mich selbst geärgert, dass ich kurz davorstand, mich für Jack Nicholsons „Anger Management“-Kurs anzumelden… (Wer den Film noch nicht gesehen hat: unbedingt nachholen! Genial.)
Versagensängste in Verbindung mit Wut ist also auf jeden Fall ein Muster, das ich zwischendurch verdrängt, aber nun auf dem Tennisplatz wiederentdeckt habe …
Überhaupt ist es – glücklicherweise nicht nur bei mir – immer wieder faszinierend zu beobachten, wie der Kopf versagt, auch wenn es um absolut NICHTS geht. Wir verlieren kein Geld, keinen Ruhm, keine Ehre (naja, die vielleicht ein bisschen), keine Freundschaften – NICHTS. Es ist das reine Ego, das nicht verlieren will und den Körper ängstlich so verkrampfen lässt, dass zwischendurch gar nichts mehr geht.
Ein zweites Muster, was mir neulich auf dem Platz bewusstwurde ist der plötzliche Drama-Anfall. Er dauert meist nicht lange, aber ich kann mich für ein paar Minuten in einem völlig selbstzerstörerischen Drama verlieren.
Der innere Monolog geht dann sinngemäß so: „Ich könnte wirklich heulen! Warum spiele ich überhaupt noch Tennis? Ich bin wirklich zu doof…“ Yep, super konstruktiv!!
Leider ist mir kurz nach dem Spiel bewusstgeworden, dass ich diese spontanen Drama-Anfälle auch im normalen Leben von mir kenne. Auch hier dauern sie nicht lange, aber es gibt sie, diese Momente, in denen ich denke (oder sage): „Ich könnte wirklich heulen! Warum mache ich das überhaupt weiter? Ich bin wirklich zu doof…“ Auch im Berufsalltag und als Mutter ist das wirklich super konstruktiv 😉
Ein drittes Muster, das mir vor allem im Tennistraining immer wieder auffällt, ist mein Anspruch, etwas sofort und schnell umsetzen zu können. Und wenn das nicht funktioniert, würde ich es eigentlich am liebsten bleibenlassen.
Dieser Anspruch zieht sich wirklich durch mein Leben durch. Im Alter von 4 bis 7 habe ich fünf Sportarten angefangen und nur die weitergemacht, die ich auf Anhieb relativ gut konnte: Genau, Tennis. In der Schule habe ich Mathe und Naturwissenschaften gehasst, weil ich nicht von vorneherein großes Talent bewies – bzw. gar keins. Im Studium habe ich in Fächern wie Rechnungswesen und Finanzwissenschaften lieber eine 4 geschrieben als mich da in irgendeiner Form reinzufuchsen.
Das klingt jetzt so, als wäre ich überhaupt nicht bereit, mich Herausforderungen zu stellen oder Einsatz zu zeigen. Das stimmt natürlich nicht. Ich bin sehr ehrgeizig und auch durchaus leistungswillig, aber….
Ja, was denn eigentlich aber?
Ich habe eben oft diesen völlig unrealistischen Anspruch an mich, dass ich etwas sofort und schnell können muss. Überhaupt habe ich wenig Geduld mit mir. Das könnte ich jetzt auf meine Eltern schieben (was in Teilen auch berechtigt wäre;)), aber meine Geschwister sind nicht alle so ungeduldig wie ich, insofern suche ich die Verantwortung (nicht die Schuld!) lieber bei mir selbst.
Natürlich weiß ich das auch nicht erst seit gestern, dass ich ungeduldig bin mit mir. Es ist etwas, an dem ich schon lange sehr bewusst arbeite. Und in vielen Bereichen kann ich heute sehr viel besser loslassen als früher und habe mehr Vertrauen in den Prozess, auch wenn er mal langsamer ist als ich mir das wünsche…
Es sind Mini-Fortschritte, aber es sind Fortschritte – und auch in diesem Prozess muss ich geduldig sein ;))
Aber um zum Schluss noch eine Lanze zu brechen für alle Ungeduldigen:
Wie alles im Leben hat unsere Ungeduld auch positive Seiten!!
- Wir können Dinge schnell umsetzen! (Stating the obvious, aber wahr und wichtig.)
- Wir können auf Perfektion verzichten zugunsten des Tempos. (Mach Dir bei allem bewusst, welcher Anspruch Dir in diesem Moment wichtiger ist: Optimierung oder Tempo? Beides geht nur sehr, sehr schwer zusammen.)
- Wir können viele verschiedene Projekte/Hobbies/Aktivitäten machen, weil wir viele Dinge schnell abhaken können, anstatt uns in Details zu verlieren.
Glaube mir: Viele träumen davon, diese Stärken zu haben!! Denke daran, wenn Du das nächste Mal Deine Ungeduld verteufelst…
Das ist überhaupt das Schöne an meiner Arbeit als Coach und vor allem in der Persönlichkeitsarbeit mit dem Enneagramm. Die Muster, die uns am meisten im Weg stehen, haben eben auch alle ihre positiven Seiten.
UND wir können natürlich an den negativen Seiten arbeiten.
In meinem Berufsalltag gelingt es mir inzwischen viel besser, geduldiger zu sein. Mit meinen Kindern nicht immer (ich glaube, das Trödeln wurde erfunden, um Mütter wie mich zur Selbstarbeit zu zwingen!), und ich weiß nicht, ob ich es auf dem Tennisplatz in diesem Leben noch lernen werde.
Aber vielleicht ist es ja auch ganz gut, wenn ich den Tennisplatz als Ort der dramatischen Emotionen behalte? So wie ein Freund neulich so treffend formulierte: „Tennis ist die perfekte Psychohygiene.“
Es geht eben einfach nichts über ein schönes Hobby. Es hat ja niemand etwas von Entspannung gesagt…