Alles nur in meinem Kopf

Apr 12, 2016

Alles nur in meinem Kopf

Apr 12, 2016

Stundenlang saßen wir da und sprachen über ihn. Ach was sage ich. Ganze Wochen und Monate saßen meine beste Freundin und ich im Zimmer – meist auf dem Boden – und sprachen über unseren (aktuellen) Herzbuben.

Jeder Blick, jedes NICHT-Wort, jede Geste und jede Handlung wurde von uns genau beobachtet, analysiert und interpretiert. Auch ohne die sozialen Medien hatten wir eine schier unendliche Menge an Daten zu bewältigen…

Tausend CIA-Profiler können nicht so viel Zeit auf die Analyse Bin Ladens verwendet haben wie wir auf die Analyse unserer damaligen Traummänner… 😉

Analyse – Interpretation – Spekulation

So sehr ich heute darüber lache (und froh bin, nicht mehr 13 zu sein) muss ich mir doch eingestehen, dass mein Leben in vielen Teilen immer noch von der zweifelhaften Aktivität des SPEKULIERENS beeinflusst ist.

Denn ich spreche heute nicht davon, einen Text wie eine SMS, EMAIL oder ein gesprochenes Wort zu analysieren und zu interpretieren – das allein ist schon schlimm genug und Nährboden für wildeste Gedankengänge!

Nein, ich spreche heute vor allem von den Gelegenheiten, in denen noch nicht einmal ein Text oder Wort gewechselt wurde (!!), und trotzdem spekuliere ich bis der sprichwörtliche Arzt kommt …

Ein Beispiel:

Ich schreibe einem Kollegen eine Email mit der Bitte um Feedback auf eine Projektidee. Obwohl wir längst ausgemacht hatten, dass ich ihm das schicken darf: Keine Antwort.

„Hmmm….. Hätte ich doch nicht fragen sollen? Ach, vielleicht hatte er heute auch einfach keine Zeit zu antworten.“

Ein Tag später: wieder keine Antwort. Ich lese meine Email nochmal.

„Vielleicht war ich etwas zu forsch? War meine Email nicht nett genug? Ach nein, das glaube ich eigentlich nicht. Morgen wird er sicherlich antworten….Hoffentlich.“

Ein Tag später: immer noch keine Antwort. Das Kopfkino wird immer dramatischer.

„Ich habe ihn ja wirklich ziemlich oft um etwas gebeten in letzter Zeit. Vielleicht war das jetzt einfach zu viel des Guten?! Er hat ja auch sonst so viel um die Ohren. Und apropos Ohren – er hat auch diesen Tinnitus, der immer wieder kommt. Oh Mann, wie kann ich denn dann ausgerechnet IHN um diesen Gefallen bitten? Er ist offensichtlich überfordert. Das hat bestimmt etwas mit seiner Familien-Konstellation zu tun… Der hat schon als Kind nicht gelernt, auf sich zu achten – und jetzt komme ich und bitte ausgerechnet ihn um Feedback. Das ist wirklich kein Wunder, dass er da jetzt nicht antwortet. Am besten schreibe ich ihm gleich, dass es mir leidtut, ihn überhaupt gefragt zu haben…..“

Während ich stundenlang eine Email formuliere, die ihm subtil und doch deutlich das gute Gefühl geben soll, mir keine Antwort auf meine Anfrage schuldig zu sein, erhalte ich diese Email:

„… im Anhang das versprochene Feedback. Ich hoffe, ich kann Dir damit weiterhelfen. Tolles Projekt!!! Schicke mir gerne auch den nächsten Entwurf. LG.“

Alles nur in meinem Kopf.

Ehrlich jetzt? Ich habe mir all diese Gedanken gemacht für nichts und wieder nichts??? Ich war gefühlte Stunden auf Deiner Tennisplatzhälfte, und Du hast ganz woanders Badminton gespielt?

Was habe ich in meinem Leben schon für Energien verschwendet auf genau diese Spekulationen!!

Etwas beruhigend finde ich dann, dass es vielen anderen genauso zu gehen scheint.

Nach einem Treffen mit einer Bekannten neulich meldete ich mich lange nicht bei ihr. Wochen später kam eine Email, in der sie besorgt fragte, ob alles in Ordnung sei… Ihr Spekulations-Karussell hatte – das wurde mir schnell klar – schon einige dramatische Hollywood-Schleifen gezogen, bevor sie den Mut fand, mir zu schreiben…

Und ich auf der anderen Seite hatte mir genau NULL Gedanken dazu gemacht. Ich hatte nur einfach keine Zeit gehabt.

Alles nur in ihrem Kopf.

Ich weiß, dass ich ein sehr empathischer Mensch bin und sensibel für die Schwingungen anderer Menschen. Verhalten zu lesen und zu interpretieren, ist etwas, was ich für meinen Beruf als Coach brauche und mir auch sonst in vielen Situationen entgegenkommt.

Aber egal wie begabt empathisch ich sein mag: Solange ich keinen direkten Kontakt aufgebaut und nachgefragt habe, bleiben meine Gedanken reine Spekulation.

Denn nur mein Gegenüber weiß letztlich, wie er was gemeint oder nicht gemeint hat.

Das große Problem ist, dass dieses Spekulations-Karussell enorm viel Arbeitsspeicher raubt, ohne dass es auch nur im Geringsten zu einer Lösung führt.

Eigentlich haben wir genau zwei konstruktive Optionen, aus einem „wie könnte er diesen Blick denn gemeint haben…“ oder „wie wird sie darauf wohl reagieren…“- Karussell herauszukommen:

  1. Ansprechen/Fragen/Ausdiskutieren und damit eine Lösung mit dem Gegenüber herbeiführen.
    oder
  2. Gedanken abbrechen und sie auf Projekte lenken, die wir tatsächlich beeinflussen können. (Ja, das geht!!)

Ich gebe zu, dass beide Optionen absolut nicht in Frage kommen, wenn man 13 und verknallt ist!!!

Aber als Erwachsene haben wir die Chance und auch die Aufgabe, unser Spekulations-Karussell in den Griff zu bekommen.

Das Leben ist nämlich zu kurz, um es sich mit Spekulationen unnötig schwer zu machen.

Es ist so schon kompliziert genug.
Oder wie siehst Du das?

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