Warum Du keine rosarote Schleife erwarten solltest

Feb 11, 2016

Warum Du keine rosarote Schleife erwarten solltest

Feb 11, 2016

Manchmal gibt es den einen Satz, der voll ins Schwarze trifft. Den einen Satz, der Dir die Erkenntnisse und Aha-Effekte wie Schuppen von den Augen fallen lässt.

Bei mir war es dieser: „Warum erwarten Sie dann noch eine rosarote Schleife dazu?“

In dem Jahr, in dem meine Mutter starb, habe ich mich über Monate von einem Coach begleiten lassen. Und natürlich ging es schnell um meine „typischen“ Themen. Zum Beispiel: Dinge einfordern, die mir wichtig sind, und Grenzen setzen – im beruflichen wie im privaten Kontext. Was gerade in solchen Extremsituationen noch schwieriger und dafür aber auch noch essentieller ist.

In diesem Zusammenhang beschwerte ich mich in einer Session bei meinem Coach über jemanden (ich glaube, es war mein Bruder), der auf eine relativ banale Bitte von mir ein wenig – sagen wir mal – „motzig“ reagierte. Das hat mich wahnsinnig wütend gemacht. Warum?

Coach: „Hat er gemacht, worum Sie ihn gebeten haben?“

Ich: „Ja, schon, aber… wie er dabei GEGUCKT hat!“

Coach: „Aber er hat gemacht, worum Sie ihn gebeten hatten?“

Ich: „Ja, klar, aber…:“

Coach: „…aber er hat’s gemacht! Warum erwarten Sie dann noch eine rosarote Schleife dazu?“

BÄÄM. Das saß.

Ich habe tatsächlich nicht nur erwartet, dass meine Bitte erfüllt wird, sondern ich wollte noch dazu, dass er mir ein gutes Gefühl (die rosarote Schleife) gibt. Aber Warum?

Andere um Hilfe zu bitten, etwas einzufordern, fällt mir grundsätzlich schwer. Etwas überspitzt formuliert habe ich bei jeder Bitte um Hilfe ein mini-kleines bis großes schlechtes Gewissen. Weil ich überhaupt frage. Falls ich überhaupt frage 😉

WENN ich dann frage, erhoffe ich mir von meinem Gegenüber nicht nur, dass er mir den Gefallen tut. Er soll mir bitte zusätzlich noch durch ein freundliches Lächeln und am liebsten eine feste Umarmung das schlechte Gewissen nehmen, das ich habe, weil ich ihn um einen Gefallen gebeten habe……… Ähhhm.. You get my point.

Kennst Du das auch von Dir?

Wenn ich so GANZ ehrlich bin, hoffe ich ja nicht nur auf rosa Schleifchen, wenn ich jemanden um etwas bitte, sondern z.B. auch, wenn ich Grenzen setze; oder wenn ich anderen (für meine Verhältnisse unverblümt) sage, was ich denke; und (!!) sogar auch, wenn ich jemandem NICHT helfen kann, obwohl er mich um Unterstützung gebeten hat. Dann hoffe ich, dass er mein „Nein“ mit einer rosaroten Schleife entgegennehmen nimmt… Oh je, oh je.

Die rosarote Schleife steht für VERSTÄNDNIS. Für EMPATHIE. Sie geht aber zu weit.

Inzwischen habe ich gelernt, dass die Dinge so nicht funktionieren können.

Ich kann nicht einem Menschen, der mir nahe steht, Grenzen aufzeigen und dann hoffen, dass er mir meine Grenze in rosa Geschenk-Papier mit Marzipan einwickelt.

Wenn ich einen Kollegen habe, der unbedingt ein Projekt mit mir machen möchte, ich aber nicht mit ihm – dann kann ich nicht von ihm erwarten, dass er meine Absage lächelnd entgegennimmt, Verständnis zeigt, mich in den Arm nimmt und mir Champagner anbietet.

Er hat das Recht und die Freiheit, sauer und enttäuscht zu sein. So wie ich das Recht und die Freiheit habe, mich trotzdem dagegen zu entscheiden.

Ich kann verlangen, dass er meine Entscheidung akzeptiert, und ich freue mich, wenn er sogar versucht, sie nachzuvollziehen.

Aber was ich nicht verlangen kann, ist die rosarote Schleife.

Seitdem ich das vor einiger Zeit mit allen Sinnen begriffen habe, übe ich es:

Ich übe, auf Schleifen zu verzichten.

Ich übe, „Nein“ zu sagen, auch wenn das Gegenüber traurig, wütend oder enttäuscht ist.

Ich übe, um Hilfe zu bitten, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

UND ich übe, nicht mehr so viele rosarote Schleifen zu VERTEILEN! Denn auch das ist im Umkehrschluss nicht meine Aufgabe….

Was sind Deine Erfahrungen mit rosaroten Schleifen??

Ich freue mich über Deine Berichte und Kommentare.

Anke

Ps: Wenn Du Dich in diesem Text wiedererkennst, könnte das Enneagramm ein guter Ansatz-Punkt für Dich sein!

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