Von faulen Kompromissen und Empathie-Lügen

Aug 24, 2017

Von faulen Kompromissen und Empathie-Lügen

Aug 24, 2017

Im Sommerurlaub habe ich einen Streit zwischen meinen Töchtern beobachtet und in dieser einen Minute mehr über Kommunikation, Konflikte und (faule) Kompromisse gelernt als in allen bisherigen Seminaren zusammen 😉

Der Klassiker: Die eine wollte Spiel X spielen, die andere Spiel Y. Die Kleinere gab schließlich nach und sagte: „Okay, ich spiele auch gerne Spiel Y mit Dir“. So weit so gut.

Kurze Zeit später platzte es aber aus ihr heraus:

„Du hast mich eben schon gezwungen, Spiel Y mit Dir zu spielen!“

Worauf die Größere antwortete:

„Stimmt doch gar nicht! Du hast gesagt, Du spielst das gerne mit mir!“

„Das habe ich aber nur gesagt, weil Du so traurig geguckt hast!“

„Dann hast Du mich belogen, wenn Du es eigentlich gar nicht spielen wolltest!“

Wow.

In diesen wenigen Sätzen stecken zwei Phänomene, die ich in der Kommunikations- und Streitkultur von Erwachsenen leider auch oft beobachte – mich selbst eingeschlossen.

  1. Der faule Kompromiss.

Meine Kleine hatte KEINE Lust auf Spiel Y, hat aber irgendwann widerwillig nachgegeben. Frei nach dem Motto „lieber ein doofes Spiel als gar kein Spiel spielen“. Das wäre ja grundsätzlich in Ordnung, hätte sie sich dabei nicht so unter Druck gesetzt gefühlt. Und zwar nicht, weil die Große sie physisch gezwungen oder erpresst hätte, sondern weil sie „so traurig geguckt“ hat.

Wie oft ist Dir so etwas schon passiert? Mir unzählige Male. Man will der Freundin, dem Partner, den Geschwistern oder Eltern einen Gefallen tun und lässt sich dafür auf einen Kompromiss ein. Aber nicht auf einen gesunden Kompromiss, sondern auf einen faulen.

Ein Kompromiss ist dann gesund, wenn sich beide auf etwas einigen und dem anderen dafür entgegenkommen. Im Beispiel meiner Kinder wäre das ein Spiel Z gewesen, auf das sie beide Lust hatten. Oder erst Spiel X und dann Spiel Y.

Aber wenn mein Gegenüber gar nicht bemerkt, dass es überhaupt ein Kompromiss ist für mich, weil ich ihn quasi im vorauseilenden Gehorsam für ihn mache? Dann ist irgendwas faul und geht ganz sicher irgendwann nach hinten los.

  1. Die Empathie-Lüge.

Im Fall meiner Töchter ging das sogar ziemlich schnell nach hinten los, weil die Kleine nicht besonders lange Lust auf ihren eigenen Kompromiss hatte. Die Glückliche!

Wie lange habe ich schon Situationen, Menschen, Umstände und Aktivitäten ertragen, auf die ich eigentlich keine Lust hatte? Ich möchte lieber nicht nachrechnen ehrlich gesagt.

Stattdessen widme ich mich dem Vorwurf meiner großen Tochter: „Wenn Du nur so getan hast, als wolltest Du das Spiel spielen, dann hast Du mich angelogen!“

Bämm. Das saß. Zumindest bei mir.

Denn wir konfliktscheuen Harmoniestifter möchten ja nur zu gerne glauben, dass wir mit unseren (faulen) Kompromissen den anderen einen unglaublich großen Gefallen tun.

Ich mache das Spiel mit, ich gebe nach, ich rette die Harmonie  – also sei verdammt nochmal auch dankbar!!!“

Aber genau hier entlarvt sich die Lüge.

Denn a) weiß der andere gar nicht, dass es ein für mich fauler Kompromiss war und kann deshalb auch nicht dankbar sein. Und b) habe ich ihm keine echte Chance gegeben, mir entgegenzukommen.

Ich weiß, das tut jetzt ein bisschen weh.

Denn wir, die wir bereit sind, so viele (faule) Kompromisse zu machen, möchten wenigstens das Gefühl haben, damit auf Dauer Gutes zu tun!

Aber wie das Beispiel meiner Töchter zeigt: That’s just not how the cookie crumbles.

Gehörst Du auch zu den Menschen, die aus vorauseilendem Gehorsam Kompromisse machen, mit denen sie eigentlich nicht leben wollen? In Deinem Job, Deiner Partnerschaft, in Deiner Familie?
Und dann ertappst Du Dich dabei, dass Du irgendwann genau die Menschen für Dein Unglück verantwortlich machst, denen Du ursprünglich einen Gefallen tun wolltest?

„Du hast mich unter Druck gesetzt, weil Du so traurig geguckt hast!“

Es braucht extrem viel Kraft und Mut, um aus diesen Schleifen herauszukommen. Und vor allem braucht es viel Ehrlichkeit.

Das Enneagramm kann Dir hierbei als Persönlichkeitsmodell behilflich sein! Wenn Du Dich in dieser Geschichte wiederfindest und Interesse an einer Typisierung hast, dann melde Dich gerne bei mir.

Ich für meinen Teil wünsche meinen Töchtern, dass sie in ihrem Leben mutiger zu ihren Bedürfnissen und Wünschen stehen als ich das lange Zeit getan habe. Außerdem wünsche ich ihnen, dass sie ihre empathische und trotzdem ehrliche Streitkultur aufrechterhalten.

… nicht nur, weil ich daraus lerne … 😉

 

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